Der Albumtitel „A Room With A View“ geht auf eine persönliche Zäsur zurück. So virulent und urban das Album klingt, ging seiner Fertigstellung doch ein Prozess des bewusst gewählten Rückzugs voraus. Einer Eingebung folgend, floh Linda Kyei aus dem gemäßigten Klima des deutschen Südwestens in die klirrendkalte Einsamkeit des schwedischen Winters, wo sich ungeahnte Tore öffneten. 

„Dort war es total menschenverlassen, ich war fasziniert von dieser Weite und Klarheit. Das hat mich innerlich beflügelt. Ich habe in dieser Zeit sehr viel geschrieben. Von da an begriff ich, dass ich eine gute Aussicht, ein Gefühl für Weite und etwas Schönes fürs Auge brauche, damit es läuft. Seitdem zieht es mich immer wieder in den Norden zurück.“ 

Dass die Songs in ganz unterschiedlichen Schaffensphasen entstanden sind und letztlich die Geschichte eines ganzen Jahrzehnts erzählen, hört man dem Album nicht an. Alle Lieder seien Teil der Reise, erzählt Linda Kyei. Die Ganzheitlichkeit des Albums spricht für die erstaunliche Konstanz der Sängerin und ihres Drummers/Produzenten. Ganz bewusst folgten sie vom Anfang des Prozesses an der Maxime, dass Stimme und Electronics die beiden Grundpfeiler des Projektes sind, auf deren Basis eben alles Andere erlaubt ist. 

North by Southwest – in Linda Kyei pulsieren viele Gegensätze. Sprühende Vitalität im Hier und Jetzt verbindet sich mit der Sehnsucht nach Einsamkeit in der Ferne, die expressive Dynamik der Vollblut-Performerin paart sich mit der introspektiven Zurückgezogenheit der Privatperson, die unbändige Freude an Klangvolumen und -Dichte geht einher mit einer Obsession für leise Töne. All das ist auf „A Room With A View“ zu hören, und das jeweils Eine wäre bei ihr nicht denkbar ohne das entsprechende Andere. Aus einem Guss, ist ihr Debütalbum doch ein Monolith der Kontraste und Überraschungen.